Bericht von Sids Mutter
Bei Sid wurde letztes Jahr im März 2017 Leukämie (T-ALL) diagnostiziert. Damals ist für uns als Familie eine Welt zusammengebrochen und es hat uns förmlich den Boden unter den Füßen weggerissen. Schlimmer noch als für uns Eltern, war es für Jascha, Sids 1,5 Jahre älteren Bruder. Die Familie ständig getrennt, die Angst um seinen Bruder, dessen Wesensveränderung und körperlicher Abbau, haben ihm von einem Tag auf den anderen, alles genommen. Sids Knochenmark war derart stark befallen, dass er zunächst als Hochrisikopatient galt. Bedingt durch die Chemo hatte er dann Nervenschädigungen in den Beinen und konnte sich ohne fremde Hilfe und den Rollstuhl nicht mehr bewegen. Er wurde ein komplett anderes Kind, aus dem ehemals lebenslustigen, aktiven Jungen, wurde ein in sich gekehrter kleiner Mensch. Die Zeit der Intensivchemo, war der reinste Horror, unsere Familie wurde auseinandergerissen. Sid musste Unglaubliches ertragen und leisten. Von einem Tag auf den nächsten wurde ihm die Kindheit geraubt. Gestern noch Stürmer in seiner Fußballmannschaft, heute im Rollstuhl, nicht mal in der Lage, einen Ball zu werfen.
Sid liebt Tiere und ganz besonders Hunde, wir haben selber zwei, einer davon ist ein Husky. Und Sid und wir lieben Schweden. Eines Nachts im Krankenhaus, ich konnte wie meistens kaum schlafen, bin ich dann auf der Homepage von „Herzenswünsche“ gelandet und habe dort gelesen, dass sie Huskytouren für Jugendliche anbieten. Ich habe dann sofort eine Mail geschickt und nachgefragt, ob das auch für Sid in Betracht kommen könnte? Kurz danach hat uns das Team von Herzenswünsche kontaktiert und uns erzählt, dass Sie versuchen werden, Sid diesen Wunsch zu erfüllen. Damit Sid nicht alleine (mit uns) reisen muss (:-)), konnten wir uns eine Familie raussuchen, die mitfährt und unseren Wunscharzt „Thilo alias Dr. Müller“. Sids Freund, hatte leider kurz vor Antritt der Reise einen Rückfall, weshalb dann kurzfristig Sids Tante (meine Schwester) und ihre beiden Söhne mit uns gereist sind.
Im März 2018 war es dann soweit, es ging los mit dem Flieger nach Norwegen und von da aus, mit einem Mietwagen über die vereiste und zugeschneite wunderschöne Landschaft nach Schweden. In Särna angekommen, begann gleich das erste Abenteuer. Jochen hat uns dort abgeholt und ist mit uns mit dem Schneescooter nach oben in der Berge gefahren.
Was dann in den nächsten sechs Tagen passiert ist, lässt sich kaum in Worte fassen. Es fing an mit Nordlichtern am ersten Abend und ging weiter mit Schnee in über ein Meter Höhe. Soviel geweint wie in diesen Tagen, hatte ich seit Diagnosestellung nicht mehr. Nur dieses Mal waren es Freuden- und Dankbarkeitstränen. Zu sehen, wie mein Sohn, der ein Jahr zuvor beinahe gestorben wäre, monatelang im Rollstuhl saß, sich körperlich nichts mehr zugetraut hat, auf einmal alleine einen Huskyschlitten gelenkt hat, war so unglaublich, unbeschreiblich schön. Zu sehen, dass mein Sohn, der 10 Monate nicht baden konnte, weil er einen Broviac-Katheter hatte, aus dem Hot Pot in den Tiefschnee gesprungen ist, war ein Gefühl, dass sich einfach nicht in Worte fassen lässt. Zu sehen, wie Sid und sein Bruder inmitten von 14 Schlittenhunden gestanden und mit diesen gekuschelt haben, nachdem Sid beinahe ein Jahr immunsuppressiv war und keine fremden Tiere anfassen durfte, trieb mir erneut die Freudentränen in die Augen. Beinahe ein Jahr haben wir gefühlt, die meiste Zeit in der Klinik verbracht, Sid angeschlossen, an permanent piepende elektrische Geräte. Und auf einmal waren wir mitten in der Natur, ohne Strom, ohne den Stress der Großstadt, ohne den Geruch von Desinfektionsmitteln. Auch das war ein Gefühl, bzw. ein Zustand, der sprachlos, ehrfürchtig und unendlich dankbar gemacht hat. Sid, Jascha und die Cousins waren von morgens bis abends draußen, wenn wir nicht Schlittenfahren waren, oder Jochens köstliches Essen in der gemütlichen Gemeinschaftshütte verspeist haben, in der Sauna waren, oder Jochen ihnen beigebracht hat, wie man Feuer macht, haben sie Iglus gebaut, sich Schneeballschlachten mit Thilo (Sids Arzt) geliefert, oder den Tiefschnee mit Schneeschuhen unsicher gemacht. In der anfangs absolut unberührten Natur, waren nach sechs Tagen, überall Spuren in Schuhgröße, 31, 33, 35 und 36 zu sehen. Selbst den letzten Winkel haben die vier Jungs erobert.
Die unglaublichen Erfahrungen und Glücksgefühle in Worte zu fassen, geht nicht. Die sechs Tage, waren jedoch die mit Abstand schönsten, die wir gemeinsam als Familie jemals erleben durften. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber Sids Erkrankung, hat unseren Blickwinkel auf das Leben in Gänze verschoben und uns vermittelt, dankbarer und wertschätzender zu sein, nichts schon gar nicht „zu leben“ ist selbstverständlich. Die sechs Tage in Schweden, konnten das letzte Jahr nicht löschen, aber so, so, so, so verdammt vieles wieder gut machen. Beim Schreiben, kommen mir schon wieder Tränen in die Augen. Ich spüre eine unendliche Dankbarkeit gegenüber dem Team von Herzenswünsche und insbesondere gegenüber Regina und Jochen. Tausend Dank, ihr habt uns so viele unglaublich schönen Momente geschenkt, die wir, wann immer uns die dunklen Gedanken und die Angst einholen, abrufen können und die uns wahnsinnig viel Kraft und Freude schenken. Und die Zeit in Schweden und die Erfahrungen, hat mir meine beiden Jungs zurückgebracht, Sid und Jascha konnten so viel Selbstvertrauen zurückgewinnen und einfach das sein, was sie sind „Kinder“. Daaaaannnnnnkkkkkkeeeeeee"